Übersicht Getriebeöle

Alles rund um die hohe Kunst der Schaltakrobatik sowie Instandsetzung der Getriebeeinheit und Achsen
Gesperrt
Harry
Forums-Lexikon
Beiträge: 3318
Registriert: 12. Sep 2006, 00:14

Übersicht Getriebeöle

Beitrag von Harry »

:mrgreen:

Also, liebe Triumph-Gemeinde,

ich hab mal die alten Foren nach dem Begriff Getriebeöl durchsucht.
Dabei sind einige Fragen und Bemerkungen zum Thema aufgetaucht.

GL4, GL5, was ist das?
Welches Getriebeöl?
Welches Hinterachsöl?
Korrosion der Buntmetalle (Kupferkorrosion)?
Motoröl im Getriebe?
„Dickere“ Öle gegen Geräusche und Undichtigkeiten?

Zuerst mal zu den Begriffen und Abkürzungen:

Die Leistungsfähigkeit der KFZ-Getriebeöle ist in der API-Publikation beschrieben.
Das API (American Petroleum Institute) und die amerikanischen Fachvereinigungen ASTM und SAE (Society of Automotive Engineers) haben die API - Klassifikationen geschaffen, welche die Motorenöle nach den Anforderungen einteilt, denen sie durch unterschiedliche Betriebsbedingungen und Konstruktionsmerkmale der Motoren unterworfen sind. Sie bewerten das Lasttragevermögen und arbeiten auf der Basis von Referenzölen.

Bei besonderen Einsatzbedingungen werden auch auf dem zivilen Sektor bestimmte Spezifikationen gefordert, wie sie die US-Militärspezifikationen (MIL-Spezifikationen) zur Sicherstellung der Qualität definieren.

* GL 1 Unlegierte Getriebeöle für Zahnrad- und Schneckengetrieben sowie für schräg- und bogenverzahnte Achsantriebe unter leichten Betriebsbedingungen, Korrosions- und Oxidations-Inhibitoren können zugesetzt werden.
* GL 2 Getriebeöle für Achsgetriebe mit Schneckentrieben die aufgrund der Anforderungen nicht mehr einwandfrei mit Getriebeölen gemäß GL 1 betrieben werden können.
* GL 3 Mildlegierte (EP) Getriebeöle für Schalt- und Sondergetriebe sowie für Achsantriebe bei leichten und mittleren Betriebsbedingungen.
* GL 4 Getriebeöle für hypoidverzahnte Achsantriebe bei normalen Betriebsbedingungen sowie für hochbelastete Schalt- und Sondergetriebe; entspricht in etwa der MIL-L 2105.
* GL 5 Getriebeöle für hochbeanspruchte hypoidverzahnte Achsantriebe, teilweise auch für Schalt- und Sondergetriebe; entspricht in etwa der MIL-L 2105 B; GL 5 Getriebeöle in Mehrbereichs-Charakteristik entsprechen MIL-L 2105 C/D.
* GL 6 Getriebeöle für sehr hochbeanspruchte hypoidverzahnte Achsantriebe (Achsversatz über 25% des Tellerraddurchmessers); inzwischen zurückgezogen. API GL 6 ist äquivalent der Ford M 2C-105 A.


Getriebeöle für Kraftfahrzeuge

Die für die einzelnen SAE-Klassen (Gegenüberstellung zu der SAE-Klassifikation für Motorenöle nach DIN 51511) gewählten Bezeichnungen sind willkürlich und geben keinen Hinweis auf die tatsächliche Viskosität (hohe SAE-Klasse nicht gleichbedeutend mit hoher Viskosität und umgekehrt). Ferner wird deutlich, dass die SAE-Klasse keine absolute Viskosität, sondern einen Viskositätsbereich beschreibt, in welchem sich die einzelne Schmierstoffqualität bewegen darf. Den SAE-Klassen stehen die für Industrieschmierstoffe gültigen ISO (International Standard Organisation) Viskositätsklassen gegenüber.


Das Lasttragevermögen eines Getriebes ist u.a. von der zwischen den Zahnflanken aufgebauten Schmierfilmdicke (Berechnung nach der EHD-Theorie) und dem im Öl enthaltenen Zusätzen (Additiven) abhängig. Ausgehend von der Vorstellung, dass sich ein physikalisch-chemischer Schutzfilm ausbildet, lässt sich die Fress-Grenzlast sowie Fress-Verschweiß-Sicherheit einer Zahnpaarung berechnen (DIN 3990). Basis für derartige Berechnungen ist u.a. die Prüfung der Öle unter definierten Bedingungen in mechanischen Prüfgeräten wie dem FZG-Zahnrad-Verspannungs-Prüfstand nach DIN 51354.

Neben der Forderung nach ausreichender Flankentragfähigkeit wird einwandfreies Synchronisationsverhalten über die Lebensdauer der Ölfüllung erwartet. Um dies sicherzustellen darf sich die Reibung an den Synchronisationselementen über die Betriebszeit nicht wesentlich ändern - auch dann nicht, wenn hohe Oberflächentemperaturen auftreten. Thermisch stabile Ölzusätze mit konstanten Reibwerten sind eine Voraussetzung hierfür.

Achsgetriebeöle für Kraftfahrzeuge

Achsgetriebeöle sind Öle gemäß API GL-5 und MIL-L-2105B bzw. C für extrem hoch, auch schockartig belastete Achsantriebe oder nicht synchronisierte Schaltgetriebe mit hoher Last, meist in der Viskositätsklasse SAE 90.

Hinterachsantriebe mit Achsversatz (sog. Hypoid-Verzahnung) zählen zu den am schwierigsten zu schmierenden Getrieben. Durch den Achsversatz treten so hohe Beanspruchungen (durch kinematisch bedingten hohen Gleitanteil an den Zahnflanken) auf, dass höchste Anforderungen an die Qualität der verschleißschützenden Ölzusätze gestellt werden. In herkömmlichen Verspannungsprüfständen (FZG-Prüfstand nach DIN 51354) sind die im praktischen Fahrbetrieb auftretenden Belastungen eines Hypoidantriebes nicht mehr zu simulieren. Die API GL-5 beschreibt daher spezielle Achsentests (z.B. CRC L-42 bzw. CRC L-37) in denen Belastungen erzeugt werden, die zwar bei vorsichtigem Fahren nicht auftreten, mit denen aber im praktischen Fahrbetrieb gerechnet werden muss. Moderne Hinterachsöle beherschen diese Anforderungen auch als Mehrbereichsöle.

Selbstsperrdifferentiale mit festeingestellten oder variablen Sperrwerten (Limited Slip) und die dabei verwendeten Lamellenkupplungen stellen im Hinblick auf das Reibverhalten besondere Anforderungen an das Hinterachsgetriebeöl.


Kurz gesagt:

Mit steigender Anti-Verschleiß- und Extreme Pressure (EP) - Performance verschlechtert sich das Synchronverhalten eines Schaltgetriebeöles.

Ein API GL-4 Schmierstoff hat deshalb ein für ein Schaltgetriebe optimiertes Additiv - Verhältnis.
Ein API GL-5 Schmierstoff hat deshalb ein für ein Hypoidgetriebe optimiertes Additiv - Verhältnis.

Die Verwendung eines API GL-4 Getriebeöles in einer API GL-5 - Anwendung könnte daher höheren Verschleiß hervorrufen.

Da eine zu geringe Reibung beim Einsatz eines API GL-5 - Schmierstoffes in einem API GL-4 Synchrongetriebe beobachtet werden kann, wird vom Einsatz ausdrücklich abgeraten.

Es gibt Kombi-Produkte, die jeder Anforderung (Schaltung und Hypoid) hervorragend gerecht werden. Diese Getriebeöle sind in der Spezifikation speziell gekennzeichnet als GL-4 und GL-5.


Synthetisch oder Mineralisch?

Moderne synthetische Getriebeschmierstoffe überdecken die Klassifizierung API-GL4 und API-GL5 und sind daher sowohl in Schaltgetriebe als auch in Achsgetriebe einzusetzen. Dieser wesentliche Vorteil gegenüber Mineralölen führt trotz der höheren Anschaffungskosten zu einem vermehrten Einsatz dieser Öle. Werksseitig werden diese Öle zum Teil als Lebensdauerfüllung eingesetzt. Synthetische Schmierstoffe übertreffen die Eigenschaften hochwertiger Mineralöle, sie führen so zu einer Sortenreduzierung der Schmierstoffe und zu einer Verlängerung der Ölwechselintervalle.

z.B.:
XYZ SAE 75W-90
Spezifikationen
SAE 75W-90
API GL-5/GL-4
MIL-L-2105B

Im Bereich der Getriebeöle auf Mineralölbasis bleibt die Trennung zwischen Schaltgetriebeölen und Hinterachsgetriebeölen weiterhin bestehen. Grund hierfür sind die hohen Druckbelastungen im Hinterachsgetriebe. Die hier eingesetzten Schwefeladditive führen in den Schaltgetrieben zu einem unerwünschten Angriff der Synchronringe.
In Kraftfahrzeug-Getrieben werden Mehrbereichsöle eingesetzt. Sie stellen einen Kompromiss zwischen leichter Schaltbarkeit, Leichtlauf bei niedrigen Temperaturen und ausreichender Viskosität bei hohen Temperaturen dar. In Schaltgetrieben werden Öle der Viskositätsklasse SAE 80W-90 oder SAE 80W-85 in Achsgetrieben Öle der Viskositätsklasse SAE 85W-90 eingesetzt.

z.B.:
XYZ Mehrzweck Getriebeöl SAE 80W-90
Spezifikation (unter anderem)
MIL-L-2105
API-GL 4

XYZ Hypoid Getriebeöl SAE 85W-90
Spezifikation
MIL-L-2105 B/C/D
API-GL 5

Für Schaltgetriebe werden heute praktisch nur Öle gemäß API GL4 (MIL-L-2105 SAE 80W) und für Hinterachsen gemäß API GL-5 (MIL-L-2105B SAE 90) verwendet. Spezial-Achsgetriebeöle für Sperrdifferentiale unterbinden das unangenehme Ruckgleiten durch geeignete Reibwertveränderer.


Gefahr für Buntmetalle?

Der Test zur Korrosionswirkung auf Kupfer ist nach DIN 51759 genau definiert.
Ein Stück blankes Kupfer wird über einen definierten Zeitraum in heißes Öl gelegt.
Ein positiver Test hat beispielsweise dieses Ergebnis:

1 - 100 A 3

1 - 100 A 3 ist die korrosive Wirkung auf das Kupferstück
1 = keine Veränderung
2 = Kupfer läuft an
3 = sichtbare, beginnende Korrosion

100 bezeichnet die Temperatur, also hier 100°C

A 3 bezeichnet den Zeitraum, also hier 3 Stunden.

Diese, für uns wichtigste, Angabe taucht nicht in allen Datenblättern der Hersteller auf!!
(Evtl. beim Hersteller nachfragen)


Motoröl im Getriebe?

Hier ein kurzer Auszug aus:

SERVICE INSTRUCTION MANUAL
for the
LAYCOCK-DE-NORMANVILLE
OVERDRIVE UNIT
WITH
ELECTRICAL CONTROL

von
The Standard Motor Company Ltd.
Coventry England

“The oil in the overdrive is common with that in the gearbox. The oil to use is ordinary mineral oil in the following grades:
Normal summer climates SAE 30
Normal winter climates SAE 20

Under no circumstances should extreme pressure (EP) gear oils be used, because the centrifugal effect of the planets may separate some of the additives from the oil and cause sludging.”

Es handelt sich hierbei um einen A-Type Overdrive aus dem Vanguard und TR2! Also ca. 1950.

Der A-Type ist konstruktiv dem D-Type vergleichbar.

Triumph empfiehlt für das Getriebe und die Hinterachse beim Spitfire4 (MK1)
über 0°C - GL 4 Hypoid 90 und unter 0°C - GL 4 Hypoid 80
Das setzt sich fort bis zum Spitfire 1500
Hier taucht zum erstenmal in der Betriebsanleitung für Getriebe und Achse
API-GL5 MIL-L-2105B Hypoid 90 bzw. Hypoid 80W auf.

Triumph selbst macht keine Unterscheidung zwischen Overdrive- und Non-Overdrive- Getrieben.

Ich denke mal die Zeit der Motoröle im Getriebe ist vorbei!
Die Entwicklung der Getriebeöle ist nicht seit 1950 stehen geblieben.
Die Anforderungen an ein Motoröl und an ein Getriebeöl sind nicht vergleichbar. Die Getriebeöle sind immer besser an diese Anforderungen angepasst worden, genauso wie die Motoröle.
Daher spricht nichts dagegen ein modernes Getriebeöl einzufüllen, vorausgesetzt die Kupferkorrosion ist ausgeschlossen! Sonst werden die Bronze-Sychronringe angegriffen.

Ins Getriebe also ein API GL-4 und ins Differential ein API GL-5.
Wenn man nicht für beide je ein Extraöl anschaffen will kann man auch eins von den Kombiölen
GL-4/GL-5 für Beide benutzen.

Ich denke das ein Mehrbereichsöl auf jeden Fall besser ist als das empfohlene Einbereichsöl,
da Mehrbereichsöle eine einigermaßen konstante Viskosität über den Temperaturgang bringen.

„Dickere“ Öle gegen Geräusche und Undichtigkeiten?

In einem amerikanischen Jeep Forum bin ich über folgenden Hinweis gestolpert:
Es ging um den WW2 jeep, 1942 Ford GPW

Ein Artikel aus „Army Motors“ vom August 1942
„Sore as a Boil About Oil“
Ein Vergleich von Getriebeölen.
Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Betriebstemperatur des Verteilergetriebes.
Die verwendeten Öle waren 80-140wt (weight), 140-250wt gegen 90wt (oder 80wt für Temperaturen unter 0°C).Scheinbar war man der Meinung das dass schwerere Öl nicht durch die Ledermanschetten lecken würde wie das 80 oder 90wt Öl.

Der Artikel zeigt das die Temperatur im Gehäuse bei Verwendung des 140wt Öl anstieg und das schwere Öl auf dieselbe Viskosität wie das leichtere Öl brachte. Dadurch traten die Undichtigkeiten wieder auf. Die Temperaturen bei Verwendung des 140wt Öls brachten also Nachteile mit sich...

.. die Tests zeigten das dass 140er ÖL eine Betriebstemperatur von 235 bis 260°F im Verteilergetriebe erzeugte, mit der daraus resultierenden Viskosität von 90 Saybolt seconds.

.. gleiche Tests mit 90er Öl erzeugten nur eine Temperatur von 190 bis 210°F bei einer gleichen Viskosität von 90 Saybolt seconds.

.. die höheren Temperaturen zerstörten das 140er Öl. ... ruinierten die Öldichtungen.

.. 90er Öl, aus raffiniertem Öl mit Additiven, bleibt stabil bis zu 265°F.
140er Öl besteht oft aus schlechtem Grundmaterial und ein Zerfall ab 230°F ist nicht ungewöhnlich. Das Ergebnis ist ein schmieriger Bodensatz und ein leichtes Spindelöl an der Oberfläche. Ein Lagerschaden ist abzusehen.

... SAE 90 (Federal Specification VV-L-761)

.. Test fand an einem heißen Tag statt - Temperaturen um die 100°F.

Die „dickeren“ Öle bringen also keine Vorteile. Im Gegenteil, aufgrund der höheren Reib- und Scheerarbeit steigt die Temperatur im Gehäuse an! Die Viskosität bleibt aber in etwa gleich.
Durch die höheren Betriebstemperaturen beginnt aber ein Aufbrechen der Kohlenwasserstoffe.
Ein zu „dünnes“ Öl birgt aber die Gefahr des Pittings an den Zähnen.


mfG
Harry
Zuletzt geändert von Harry am 26. Sep 2006, 18:04, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
alex0469
Überflieger
Beiträge: 2834
Registriert: 6. Sep 2006, 14:07
Wohnort: Fürth / Nürnberg
Kontaktdaten:

Re: Übersicht Getriebeöle

Beitrag von alex0469 »

Moin moin Harry,
hab gerade Deinen schönen Getriebeölbeitrag gelesen:

Betreff: Übersicht Getriebeöle

Dabei ist mir eine Kleinigkeit aufgefallen. Die angegebene Norm DIN 51759 zur Bestimmung der Korrosionswirkung ist mitlerweile nicht mehr gültig. Sie wurde ersetzt durch DIN EN ISO 2160. Die Angabe des Grades der Korrosion ist nun in vier Stufen unterteilt:
1 - leichte Anlauffarbe a) hell orange / b) dunkel orange
2 - mäßige Anlauffarbe a) weinrot / b) lavendel / c) mehrfarbig mit lavendelblauem und/oder silbernem Belag auf weinrot / d)silbrig / e) messingfarben oder golden
3 - starke Anlauffarben a) magentafarbener Überzug auf messingfarbenem Streifen / b) mehrfarbig mit rot und grün (Pfauenmuster), aber nicht grau
4 - Korrosion a) durchsichtig schwarz, dunkelgrau und braun mit kaum sichtbarem pfauengrün / b) graphit- oder mattschwarz / c) glänzend oder pechschwarz

Die Angabe erfolgt dann in der Form (X h, Y °C), Grad Z

Vielleicht hast Du ja Lust, Deinen Beitrag zu aktualisieren.
Sonnige Grüße aus Hamburg,
Valentin
[img]http://www.world-of-smilies.com/html/images/smilies/auto/burnrubber0.gif[/img]
Six in a row makes it go!
Gesperrt