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Hohlraumversiegelung

Verfasst: 15. Nov 2006, 20:01
von RR69H
Hallo zusammen,

da ich fast schon ein schlechtes Gewissen bekomme, euch als Spitfireneuling andauernd mit Fragen zu löchern und niemandem im Gegenzug helfen zu können, wollte ich kurz meine Erfahrungen zum Thema Rostprävention posten. Vielleicht hilft es einigen von euch, das sensible Blech länger vor Rost zu bewahren. Falls ich euch nichts neues erzähle, bitte schnell wegclicken. :)


Vorab: Was ist eigentlich Rost?

Rost ein Oxidationsprodukt das entsteht, wenn Eisen oder Stahl mit Sauerstoff und Wasser reagieren. Das ist prinziell erstmal schlecht, denn beide Substanzen finden sich in einer mehr oder weniger hohen Konzentration in unserer Atemluft. Die Crux ist, dass ungeschützte Stahlbleche stets weiterrosten, da Rost im Gegensatz zu Stahl sauerstoffdurchlässig ist. Durch die Vergrößerung von Volumen und Masse des porösen Rostes entstehen die berühmten Rostpickel und das Grauen beginnt.


Das klingt ja grausam! Und was mache ich dagegen?

Für ein Auto gibt es eigentlich nur einen Königsweg: Das Abschirmen der Bleche gegen Feuchtigkeit. Das geschieht z.B. durch Verzinken, einen Lackauftrag oder eben an unzugänglichen Stellen durch Fette, Wachse oder Öle. Logisch wäre natürlich auch das Fernhalten von Luft, was aber den Sinn eines Cabrios irgendwie dann doch in Frage stellt. :mrgreen:


Um jetzt endlich zur Sache zu kommen...

Eine Hohlraumversiegelung soll dort vor Rost schützen, wo beispielsweise ein Schutzanstrich nicht möglich ist. Kann man ein Schwellerblech von außen noch prima lackieren, wird das von innen schon schwieriger. Speziell in Falzen und rund um Schweißpunkte ist es extrem schwierig, mit Lacken den Rost fernzuhalten, weshalb es keine schlechte Idee ist, auf die Kriecheigenschaften eines Korrosionsschutzfettes zu bauen.

Dazu kann man sowohl Wachse wie Mike Sanders als auch Öle wie Fluidfilm verwenden. Wachse haben den Vorteil, eine recht robuste Schutzschicht zu bilden, während Öle dünnflüssiger sind und bessere Kriecheigenschaften haben.

Meine Erfahrung mit beiden Varianten haben mittlerweile schon ein wenig Geschichte. Ich komme eigentlich aus dem Mercedeslager und fahre einen Strichacht, dessen Rostanfälligkeit mindestens ebenso legendär ist wie die des Spitfires.
So richtig ernst wurde es mir, als mir ein makelloser Mercedes 200 D /8 zulief, der dank eines verwirrend niedrigen Kilometerstandes vollkommen rostfrei und ungeschweißt war. Beim /8 die absolute Ausnahme. Um den Wagen aber auch nutzen zu können und nicht jedes Mal einen Schreikrampf zu bekommen, wenn sich Morgentau auf dem Dach absetzt, wollte ich den Wagen so gut wie möglich in der originalen Substanz konservieren.

Wachs kam hierzu nur bedingt in Frage. Am gut zugänglichen Unterboden habe ich dünn Wachs aufgetragen, um den originalen Unterbodenschutz zu ergänzen. Wichtig war mir auch, dass nicht unbedingt jeder Krümel am Unterboden hängenbleibt und dass ich entstehenden Rost sofort erkenne und gegebenenfalls handeln kann. Also schied neuer U-Schutz ebenso aus. Unterbodenschutz auf Bitumenbasis wird mit den Jahren spröde und durch Kapillarwirkung kann Wasser durch die entstehenden Risse direkt ans Blech gelangen: Unter Umständen rostet es dann fröhlich unter der Bitumenschicht vor sich hin und man sieht es erst, wenn es schon zu spät ist.

Meiner Erfahrung nach ist ein kriechfähiges Öl daher der beste Schutz, sehr gute Erfahrungen habe ich mit Fluidfilm Liquid A gemacht, einem wachshaltigen Öl auf Lanolinbasis. Die Kriecheigenschaften dieses Produktes sind hervorragend, sodass nach einer Hohlraumkonservierung das Zeug an Stellen wieder herauskommt, an denen man es nicht unbedingt erwartet hätte. Beispielsweise ist der erste Fluidfilmauftrag in der B-Säule meines Mercedes sogar so weit nach oben gekrochen, dass es aus dem Loch der Befestigungsschraube der B-Säulenverkleidung (ungefähr auf Kopfstützenhöhe) wieder herauskam. Fluid Film kriecht so gut, dass es sogar in vorhandene Rostmikroporen eindringt und sie so am Weiterrosten hindert. Sehr praktischbei Hohlräumen mit oberflächlichem Rostbefall. Aber auch Blechfalze und -spalten sind bestens geschützt.


Warum kein Wachs an Blechfalzen?

Wachse müssen, um überhaupt an die Stellen zu gelangen, an denen sie wirken sollen, verflüssigt, also in der Regel erhitzt werden. Es stellt sich nun allerdings das Problem, dass die Bleche, mit denen das Wachs in Kontakt kommt, dieses sofort wieder abkühlen. Im schlimmsten Fall bleibt das Wachs dann genau vor der zu schützenden Stelle stehen.


Die Vorteile von Fluidfilm

1) Das Produkt ist biologisch abbaubar, daher ist es auch nicht gesundheitsschädlich.

2) Zur Verarbeitung muss es nicht erhitzt werden. Die Verarbeitung ist recht einfach: Ein Kompressor und eine Druckbecherpistole mit Hohlraumsonde werden benötigt. Mehr nicht.

3) Sehr gutes Kriechvermögen. Darüberhinaus härtet FF nicht aus und bleibt so dauerhaft kriechbeständig. Allerdings sollte über die Jahre gewährleistet werden, dass in allen Hohlräumen stets eine ausreichende Schichtdicke vorhanden ist. Wer auf Nummer Sicher gehen will, behandelt sein Fahrzeug alle 2-3 Jahre.
Für Teile, in denen ein stetiges Kriechen und damit verbundem Tropfen nicht erwünscht ist (Türen, Kofferraumhaube) gibt es auch eine etwas dickflüssigere Variante (Fluidfilm NAS), die einen dickeren Schutzfilm hinterlässt, aber nicht ganz so gut kriecht. Ebenso ist ein Gel erhältlich, das wirklich nur dort bleibt, wo es aufgetragen wird.

4) Schon vorhandener Unterbodenschutz kann wieder elastisch gemacht werden. FF kriecht in die Kapillaren des Materials, lässt aber dadurch auch Gummiteile wie Hohlraumstopfen oder Kabeldurchführungen etwas anquillen. Am Mercedes sind das die Hohlraumstopfen in den Schwellern und den Längsträgern, die ich vorsichtshalber vor 4 Jahren (und 2 Versiegelungen) alle erneuert habe. Nach weiteren 2 Jahren und einer weiteren Demontage werden sie es wahrscheinlich hinter sich haben. Sollte man also drauf achten.

5) Ausgehärtete, spröde Wachsschichten können ebenfalls aufgefrischt werden.

6) Das Zeug ist sehr ergiebig. Der Mercedes strotzt nur so von Hohlräumen, 3l reichen aber völlig aus, um den ganzen Wagen zu bearbeiten. Erfahrungswerte zum Spitfire habe ich noch keine, ich reiche sie nach, sobald ich die Erstversiegelung an meinem Auto vorgenommen habe.

7) Gute Schmiereigenschaften. Handbremsseile können auch mit Fluidfilm bearbeitet werden und so vor Korrosion geschützt werden.


In der Praxis

Für eine Erstversiegelung empfiehlt sich das sehr dünnflüssige Fluidfilm Liquid A. Damit ist man schon sehr gut für die ersten Jahre geschützt. Als Folgebehandlung leistet ein Auftrag NAS gute Dienste, da sich die Schichtdicke erhöht. Diese kann bei der nächsten Versiegelung problemlos mit Liquid A oder NAS aufgefrischt werden.

Im Rahmen der Erstversiegelung werde ich folgende Partien behandeln:

- Rahmen innen mit Liquid A, außen Wachs,
- Schweller, A- und B-Säulen mit Liquid A,
- Radläufe hinten und Endspitzen ebenfalls mit Liquid A,
- Türen und Kofferraumfalz auch,
- Unterboden und Radkästen dünn mit Wachs
- Vor der Montage der Kotflügelzierleisten vorsichtig ein wenig Gel auftragen,
- Radläufe vorn mit Liquid A.

Was mir während der Arbeiten noch auffällt, werde ich nachreichen.

Nach 2 Jahren werde ich mit NAS nachbehandeln, danach alle 2 Jahre kontrollieren und ggf. mit Liquid A nachkonservieren. Und natürlich hoffen, dass das Blech so unbeschadet die nächsten 30 Jahre übersteht.

So und jetzt habe ich wunde Finger. Over and out.

Verfasst: 15. Nov 2006, 21:23
von BigP
Sehr schöne Auflistung! Zwei kleine Fehler habe ich gefunden: MS ist kein Wachs sondern ein Fett, welches ebenfalls - und vor allem im Sommer - in die hintersten und obersten Ecken kriecht. Die Verarbeitung ist jedoch ungleich aufwändiger als die von FF. Für FF braucht man nicht unbedingt eine Druckbecherpistole; eine wesentlich billigere Saugbecherspritze reicht vollkommen aus.
FF ist auch mein erklärtes Lieblings-Pflegeprodukt, die Anwendung macht einfach Spaß, das Zeug riecht superlecker und weil es so ergiebig und gut zu verarbeiten ist, lasse ich mir das Vergnügen nicht nehmen, jedes Jahr nachzulegen. :wink: 8)

Verfasst: 15. Nov 2006, 21:49
von RR69H
Au ja, hast Recht, MS ist natürlich ein Fett.

FF hat mich richtig überzeugt, als ich das Zeug bei ca. 5°C Außentemperatur immernoch aus einem vor 2 Wochen versiegelten Oldtimer habe tropfen sehen. Wahnsinn...

Verfasst: 16. Nov 2006, 12:19
von superspitchris
FF gibts auch in der Sprühdose mit 60 cm langem Rüssel, somit braucht man gar keinen Kompressor
Gruss Chris